Technische Dokumentation – ist die Entwicklung am Ende?

Der Status

Ich bin seit 1986 in der Technischen Dokumentation tätig. In den ersten 15 Jahren waren die Veränderungen dramatisch – von Cut&Paste mit Schere und Kleber hin zu XML-Redaktionssystemen mit all ihren Vorteilen. Ende 1999 hatte ich ein solches Projekt erfolgreich beendet. Drei Standorte, drei Länder, mehr als 30 Redakteure. Redaktionssysteme waren 1999 noch die Ausnahme, heute sind sie Standard. Natürlich wurden die Systeme um Funktionen erweitert und optimiert, aber im Grundsatz hat sich nicht mehr viel geändert.

1999 hatten wir nicht nur ein System eingeführt, sondern auch eine Schreibmethodik – Information

Mapping ®. Auch Schreibmethoden sind heute weit verbreitet, im Studium zum Technischen Redakteur lernt jeder neue Redakteur die eine oder andere Methode kennen. Auch hier tut sich eigentlich nichts mehr.

Ist die Entwicklung in der Technische Dokumentation damit am Ende? Ich denke nein. Nach der inzwischen abgeschlossenen Konsolidierungsphase warten nun neue Technologien auf ihren Einsatz. Es ist wieder wie 1999, die neuen Technologien sind da, aber bisher nur von relativ wenigen Unternehmen genutzt. Von welchen Trends spreche ich?

  • Videoanleitungen
  • Augmented Reality
  • Content Delivery Portale

Videoanleitungen

Kennen Sie das – Sie wissen nicht, wie etwas getan werden soll. Wo schauen Sie nach? Wenn es ums Tun geht, suchen die meisten Menschen heute bei YouTube nach einem Video, das Ihnen erklärt, wie es geht. Sei es beim Kochen, beim Reparieren eines Fahrrades oder einer Waschmaschine oder bei der Erklärung für ein Layoutprogramm. Ganz viele Hobbyredakteure liefern Unmengen zum Teil hervorragend gemachter Anleitungen. Aber in den Unternehmen steckt das zumeist noch in den Kinderschuhen.

Animationen

Für fast alle neuen Produkte liegen 3D-Modelle vor. Diese werden auch schon in weiten Bereichen benutzt, z. B., um Illustrationen für Dokumentationen zu erzeugen. Um aber animiert Handlungen zu zeigen, werden die Modelle noch recht selten verwendet. Funktionsweisen werden da schon öfters dargestellt – zumeist im Marketing. Die eigentliche Handhabung wird aber nicht gezeigt. Dies wird sich sicher ändern. Teilweise geht es dann direkt zum nächsten Schritt, der Augmented Reality.

Augmented Reality (AR)

Bei AR Anwendungen, wird die reale Welt, also die der realen Gegenstände, mit Bildern und Daten angereichert. Der Blick auf die reale Welt geht entweder über eine 3D-Brille. Über ein Tablet oder ein Smartphone. Schritt für Schritt können so Tätigkeiten angeleitet werden, ohne, dass der Nutzer zuvor die Tätigkeit schon unbedingt einmal ausgeführt haben muss.  Statt umfangreicher Wartungshandbücher, die nur in den seltensten Fällen alle Schritte einer Tätigkeit beschreiben, kommt die “angereicherte Realität” zum Einsatz. Im Bereich Support inzwischen öfters zu finden.

Content Delivery Portale (CDP)

CDPs ermöglichen Anwender, den gezielten Zugriff auf umfangreiche Informationsbestände. Mit einer facettierten Suche, wie wir sie z. B. von Amazon kennen, können große Datenbestände zugänglich gemacht werden. In einem CDP können die Daten unterschiedlichster Hersteller, z. B. für einen Anlagenbetreiber, gebündelt über beliebige Anzeigegeräte zugänglich gemacht werden.

Damit die Suche in einem solchen System auch Ergebnisse liefert, müssen die Informationen/Dokumente mit Metadaten ergänzt werden. Für die Metadaten haben sich schon erste Standards etabliert – iiRDS von der tekom und VDI 2770 Blatt 1.

Was bedeutet das für Technischen Redakteure?

Gute Nachricht – die Entwicklung ist offensichtlich nicht am Ende – wir dürfen lernen!

Redakteure müssen sich mit diesen neuen Tools und Möglichkeiten vertraut machen. Viele Vorgehensweisen, die für einen Redakteur schon bisher selbstverständlich sind, müssen auf die neuen Möglichkeiten übertragen werden. Beispiele sind:

  • Zielgruppenanalyse
  • Zweckdefinition der eingesetzten Mittel
  • Zweckdefinition der damit erzeugten Informationen
  • Analyse der von der Zielgruppe benötigten Informationen
  • Analyse des für die Zielgruppe passenden Medientyps

Die ISO/IEEE 82079-1 und die DIN EN 20607 berücksichtigen schon, dass es nicht mehr ausschließlich darum geht, gedruckte schriftliche Informationen zu erstellen, sondern dass auch andere Medien eingesetzt werden können.

Eine kleine Toolauswahl (nicht vollständig)

  • Reflekt One von der Firma Reflekt (AR)
  • SOLIDWORKS Composer (Zeichnungen und Animationen=Videos aus den 3D-CAD Daten)
  • Manual.to (Videos, leicht erstellt, kontrolliert und einfach zur Verfügung gestellt)
  • CDP siehe https://arakanga.de/arawiki/content-delivery-portal/

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